Da kann ich nicht Nein sagen ...
Gottesdienst am 09.09.2001

Die ehrliche Finderin

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
Wanda Johnson ist ein Mensch wie du und ich. Sie befindet sich in einer brenzligen Situation, da fällt ihr die Lösung direkt vor die Füße. Scheint doch ein echtes Gottesgeschenk zu sein. Doch sie hält inne, zögert und lässt schließlich die Finger vom Geld. Wir könnten hier unsere Geschichten anfügen. Erlebnisse, bei denen wir die Rettung greifbar nahe meinten, bis sie sich als Fallstrick erwiesen hatte. So aus dem Alltag gegriffen ist eine Episode im Leben von David. 

David ist auf der Flucht vor Saul. Saul ist wie besessen von dem Gedanken, dass David ihm den Königsthron entreißen könnte. Statt mit Gott ins Reine zu kommen, dem Saul die oberste Königswürde streitig gemacht hat, stellt er dem kleinen David nach. David hat inzwischen eine Schar Männer mit deren Familien um sich gesammelt, die ihm zur Seite stehen. Es sind Männer, die keinen Platz in der Gesellschaft gefunden haben, die keine Perspektive mehr haben, die nichts mehr zu verlieren haben und sich deshalb voll für David einsetzen. Gemeinsam mit ihnen erobert David eine Stadt der feindlichen Philister und will sich nun in Ruhe innerhalb der Stadtmauern zu neuen Taten sammeln. Doch daraus wird nichts. Saul bekommt davon Wind und riegelt die Stadt von außen ab. Schlecht für David, der nun in einem Gefängnis sitzt. Ihm gelingt die Flucht in die Wüste, wo ihm bald auch wieder Saul nachstellt. Die Lage wird brenzlig für David, da – es ist offensichtlich Gottes Eingreifen – wird Saul durch einen erneuten Philisterangriff abgelenkt und muss David ziehen lassen. Aber wie lange wird das Versteckspiel weiter gehen? Wie wird der Herr Davids Sache hinaus führen?

1.Samuel 24,1-8a

Von dort aus zog sich David in die schwer zugänglichen Berge bei En-Gedi zurück. Saul schlug inzwischen die Philister in die Flucht und verfolgte sie. Als er heimkehrte, wurde ihm gemeldet: "David ist jetzt in der Bergwüste bei En-Gedi!" Saul nahm 3000 der besten Kriegsleute aus ganz Israel mit. Östlich der Steinbockfelsen machte er sich auf die Suche nach David und seinen Männern. Als er an den Schafhürden vorbeikam, ging er in die nahe gelegene Höhle, um seine Notdurft zu verrichten. Hinten in dieser Höhle saß David mit seinen Männern. Die flüsterten ihm zu: "Heute ist der Tag, von dem der HERR zu dir gesagt hat: 'Ich gebe deinen Feind in deine Hand. Du kannst mit ihm tun, was du willst.'" David stand auf und schnitt heimlich einen Zipfel von Sauls Gewand ab. Hinterher schlug ihm aber doch das Gewissen, weil er das gewagt hatte. Er sagte zu seinen Leuten: "Der HERR bewahre mich davor, dass ich Hand an meinen Gebieter lege, an den gesalbten König des HERRN! Denn das ist und bleibt er." Er wies seine Männer zurecht und verbot ihnen, sich an Saul zu vergreifen.

Wie ein roter Faden spinnt sich der Begriff "Hand" durch diese Erzählung. Mit wem ist die Hand Gottes? Wem ist David in die Hand gegeben und wem ist Saul in die Hand gegeben? Saul sucht dieselbe Höhle auf, in der David schon weilt und Gott gibt Saul in Davids Hand. Was tut die Hand, in die Gott den Feind gegeben hat? Sie schneidet einen Zipfel des Mantels ab. Nach damaliger Rechtsauffassung tastet David damit die Person an, er begeht so etwas wie Hausfriedensbruch. Doch dann hält er inne. Es schlägt ihm das Herz, das Gewissen meldet sich.

Eine klassische Versuchungsgeschichte. Was ist Gottes Wille? Die Freunde flüstern ihm ein: Es ist Gottes Wille, dass du das Gericht an ihm vollstreckst. Doch David lässt sich von ihren Einflüsterungen nicht verführen. Statt ihnen nachzugeben nach dem Motto "da kann ich nicht Nein sagen ..." sagt er ein deutliches Nein. Er erkennt, dass das scheinbare Gottesgeschenk ihn von Gott weg bringen will.

Und er führt uns hier sehr deutlich vor Augen, dass die eigentliche Gefahr für unser Leben nicht von außen kommt. Die Verräter, die Saul Davids Aufenthaltsort in der Wüste verraten haben, konnten ihm nicht ans Leben. David hatte immer eine Fluchtmöglichkeit. Die eigentliche Gefahr kommt von innen – damals wie heute. Stimmen, die uns überreden wollen, unseren eigenen Willen für Gottes Willen zu halten. Rache und Wut, die sich in unserem Inneren aufstauen und nach Vergeltung suchen. Verletzungen, die sich bei passender Gelegenheit zu Wort melden und ihren Anspruch geltend machen. Die alten Worte der Schlange im Paradies eben in immer neuen Variationen: Sollte Gott gesagt haben? Willst du nicht selbst bestimmen, was gut und böse ist? Willst du nicht selbst Hand anlegen, um die Verhältnisse klar zu stellen?

Um diese Versuchung von innen geht es in der Höhle von En-Gedi und in unserem Leben. Deshalb ist diese Episode im Leben des David wichtig für uns heute.

Als wir über die Geschichte am Familientisch redeten, erinnerte uns meine Tochter an eine Geschichte von einem Mädchen, die wir von einer Kassette kennen. Das Mädchen machte bei einem Malwettbewerb mit. Sie besuchte die Ausstellung der Bilder und war mit ihrem Werk sehr zufrieden, bis sie einen wunderschön gemalten Zoo entdeckte, der ihr Bild klar in den Schatten stellte. Sie kämpfte mit sich. Es lag so nahe, mit einem dicken Strich das Bild zu zerstören. Und dann würde sie bestimmt den ersten Preis gewinnen. Doch sie hielt inne. Irgend etwas hielt sie ab und schließlich wurde sie Zweite im Wettbewerb und dankte Jesus, dass er sie bewahrt hatte, dem anderen Kind zu schaden. Eine Kindergeschichte und doch eine Geschichte auch aus unserem Leben. Da sind es dann nicht mehr die gemalten Bilder, aber vielleicht die bessere Arbeitsstelle, das renommiertere Ansehen, die schöneren Urlaubsziele, die fröhlichere Familie. Anlässe, die uns in Versuchung führen, selbst Hand anzulegen, für uns das Beste aus der Situation heraus zu holen und anderen zu schaden.

Vielleicht noch drängender wird die Thematik für uns als Gemeinde. Nehmen wir die beiden Erwählten Saul und David und setzen wir uns ein. Zwei Erwählte in Jesus Christus, die mit ihm ausersehen sind, Kinder Gottes zu sein. Aber sie sind sich nicht einig. Sie haben einen schwerwiegenden Konflikt, der sich an Kleinigkeiten entzündet hat, aber nicht aus der Welt geschafft werden konnte. Die beiden gehen sich aus dem Weg. Einer ist sauer auf den anderen und schiebt ihm die Schuld und Verantwortung für den Konflikt in die Schuhe. Dann ergibt sich für den einen die Gelegenheit, bei einem gemütlichen Zusammensein in Abwesenheit des anderen mal so richtig Dampf abzulassen. Man kann auch sagen abzulästern. Er fühlt sich danach befreit, aber irgendwie auch wie ein Verräter. War das Gottes Wille, es dem anderen so heimzuzahlen?

Ein anderes Beispiel. Ich bin in einer Notlage und bitte jemand, mir zu helfen. Aus für mich fadenscheinigen Gründen will sie mir nicht helfen. Ich habe leider ein Elefantengedächtnis. Als die andere mich Wochen später um einen Gefallen bittet, sage ich ihr ins Gesicht: Wie es in den Wald hinein schallt, schallt es wieder heraus. Ich helfe nicht. Doch das befriedigte Gefühl, es ihr endlich gesteckt zu haben, stellt sich nicht ein. Ich bin unzufrieden mit mir selber und wage nicht, nach Gottes Urteil in dieser Sache zu fragen. Eine dunkle Ecke in meinem Herzen entzieht sich dem Licht Jesu.

Und noch ein Beispiel. Zwei engagierte Mitarbeiter laden zu ihren Aktivitäten ein. Der eine kommt nicht zu dem Abend, den die andere liebevoll für die Gemeinde vorbereitet hat. Er sagt ihr nicht, warum er nicht kommen kann, sie wertet es als Desinteresse, ja sogar als persönliche Abneigung gegen sie. Einige Zeit später lädt er zu einem Missionstreffen ein. Sie kommt natürlich nicht, obwohl sie sich sehr für die Mission interessiert. Sie will ihn damit verletzen und es gelingt ihr. Beide gehen sich fortan aus dem Weg. Andere werden darauf aufmerksam und fragen sich, ob zentrale Leute in der Gemeinde so miteinander umgehen sollten.

Fragen wir danach, was Gottes Wille im konkreten Fall ist? Oder gehen wir davon aus, dass wer mit Jesus lebt, automatisch das Richtige tut und lässt? Wie ist das denn, können wir automatisch Nein sagen, wenn die Versuchung vor unseren Füßen liegt?

Im Brief des Paulus an die Gemeinde in Rom gibt er den Gemeindegliedern folgenden Rat (Römer 12,17-21):
Wenn euch jemand Unrecht tut, dann zahlt es niemals mit gleicher Münze heim. Seid darauf bedacht, vor den Augen aller Menschen bestehen zu können. Soweit es möglich ist und auf euch ankommt, lebt mit allen in Frieden. Nehmt keine Rache, holt euch nicht selbst euer Recht, meine Lieben, sondern überlasst das Gericht Gott. Er sagt ja in den Heiligen Schriften: "Ich bin der Rächer, ich habe mir das Gericht vorbehalten, ich selbst werde vergelten." Handelt vielmehr nach dem Wort: "Wenn dein Feind hungrig ist, dann gib ihm zu essen, und wenn er Durst hat, gib ihm zu trinken. Dann wird es ihm bald leid tun, dein Feind zu sein." Lass dich nicht vom Bösen besiegen, sondern überwinde es durch das Gute!

Besonders dieser Hinweis auf Essen und Trinken erscheint mir sehr lebensnah. Wie kann ich oftmals die Situation umdrehen, wenn ich statt mir Rachefeldzüge auszudenken zu Tisch einlade. Wie kann uns auch das Abendmahl verändern, weil Jesus uns nicht Gleiches mit Gleichem vergilt, sondern uns Gutes tut und unsere Herzen gewinnt.

David bekommt im entscheidenden Augenblick Gewissensbisse. Sein Frühwarnsystem schlägt an. Es ist Gottes Erbarmen, das ihn davon abhält, Hand an den von Gott erwählten König Saul zu legen. Er hätte damit seine eigene Erwählung weggeworfen, sich als zukünftiger König disqualifiziert.

Es ist gut, wie David sensibel für das Frühwarnsystem Gottes zu sein. Unser Gewissen kann wie ein Schweizer Käse mit großen Löchern sein, es kann aber auch - geschult durch die Bibel, durch die Gemeinschaft und den Austausch mit Christen, durch das Gebet - hellhörig für Gottes Wille werden. Denken Sie an eine Entscheidung, die nicht so lange zurück liegt. Haben Sie da eine Nachdenkpause eingelegt, um sich zu überlegen, was Gott von Ihnen in dieser ganz speziellen Situation wollte? Haben Sie Ihr Gewissen gehört und war es im Nachhinein eine Stimme, die Sie auf die richtige Spur geführt hat? 

Wer ist am Ende verschont worden? Saul oder David? Saul ist Gottes Gericht letztlich nicht entkommen. Doch David musste nicht zum Werkzeug seines Untergangs werden. Eigentlich ist in En-Gedi David verschont worden. Er wurde nicht zum Mörder des Erwählten und Gesalbten. David hat die Versuchung bestanden und wurde damit ein Wegweiser auf den vollkommenen König Jesus Christus. Jesus ist seit Anfang seines Wirkens vom Teufel versucht worden. Doch er hat Nein gesagt, er hat den scheinbar leichteren Weg zu Ansehen und Erfolg nicht gewählt. Bis in die Todesstunde traf ihn die Aufforderung "Hilf dir selber". Aber er gab sich ganz in Gottes Hand. Damit ist er uns voraus gegangen und hat uns für alle Zeit zugesagt, unser Begleiter gerade in diesen Zeiten zu sein, wo die Versuchung vor unseren Füßen liegt und uns von Gott weg bringen will.

Doch wie David werden wir nicht immer Nein sagen und Jesu Führung nicht immer klar erkennen. Da gilt es besonders, an Jesus festzuhalten und auf sein Erbarmen zu vertrauen. Er vergibt und lässt uns wieder neu beginnen. Er lässt uns nicht für immer fallen, denn wir gehören zu ihm. Doch er möchte, dass wir wachsen, wachsen die Versuchungen zu erkennen, wachsen im Nein Sagen, wachsen ihn besser zu hören im Alltag.

Die Hand Gottes ist der rote Faden nicht nur in Davids Leben, sondern auch in unserem Leben. Wir sind in seiner Hand geborgen. Doch wir werden auch in die Pflicht genommen. Gott gibt uns einander in die Hand. Wir sollten uns gegenseitig nicht aus allzu menschlichen Motiven fallen lassen Wir können einander Gutes tun, was der Liebe Jesu entspricht. Gott selbst ist Richter und er wird für uns streiten.

Am Ende der Begegnung in En-Gedi kommt es zu einem Gespräch zwischen David und Saul.

1.Samuel 24,8b-23

Als Saul die Höhle verlassen hatte, um seinen Weg fortzusetzen, kam David heraus und rief ihm nach: "Mein Herr und König!" Saul drehte sich um, und David warf sich ehrerbietig vor ihm nieder. Er sagte: "Warum läßt du dir einreden, daß ich dich ins Verderben stürzen will? Heute kannst du dich mit eigenen Augen vom Gegenteil überzeugen. Hier in der Höhle hatte der HERR dich in meine Hand gegeben; meine Leute haben mir zugesetzt, daß ich dich umbringen soll. Aber ich habe dich geschont, weil ich dachte: 'Ich werde nicht Hand an meinen Gebieter legen; denn er ist der gesalbte König des HERRN. Mein Vater, sieh diesen Zipfel deines Gewandes hier in meiner Hand! Ich hätte dich töten können, aber ich habe nur dieses Stück von deinem Gewand abgeschnitten. Daran mußt du doch erkennen, daß ich kein Verräter bin und dir nichts Böses antun will. Ich habe dir nichts getan, und doch stellst du mir nach und willst mich umbringen. Der HERR soll Richter zwischen uns sein! Er soll dich strafen für das Unrecht, das du mir antust; aber ich selbst werde meine Hand nicht gegen dich erheben. Du kennst das Sprichwort: 'Nur Verbrecher begehen Verbrechen.' Ich werde mich nicht an dir vergreifen. Hinter wem jagst du denn her? Der König von Israel jagt einen toten Hund, ja einen einzigen Floh! Der HERR soll Richter sein und zwischen dir und mir entscheiden. Er soll meinen Streit gegen dich führen und mir zu meinem Recht verhelfen.

Als David ausgeredet hatte, fragte Saul: "Ist das wirklich deine Stimme, mein Sohn David?" Und er brach in lautes Weinen aus. Dann sagte er zu David: "Du bist im Recht gegen mich. Du bist gut zu mir gewesen, obwohl ich dir Böses angetan habe. Heute hast du es bewiesen; denn du hast mich verschont. Der HERR hatte mich in deine Hand gegeben, aber du hast mich nicht getötet. Wo kommt so etwas vor, daß einer seinen Feind in der Hand hat und ihn unbehelligt laufenläßt? Der HERR wird dich dafür belohnen. Ich weiß ja, du wirst König werden, und in deiner Hand wird das Königtum in Israel festen Bestand haben.

Saul ist tief beschämt, dass David ihn, den erbitterten Verfolger, am Leben gelassen hat. Saul erkennt nun, dass David sein von Gott bestimmter Nachfolger wird. Damit spricht Gott selbst David gerecht. Sollte das nicht auch für uns gelten?

In diesen Tagen ist mir ein Wort wichtig geworden und es fasst gut zusammen, was David in der Höhle En-Gedi erlebt hat:
"Der Herr wird für euch streiten und ihr werdet stille sein!" (2.Mose 14,14)

Cornelia Trick


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