Das Wichtigste im Leben (Markus 12,28-34)
Gottesdienst am 22.3.2020 in Brombach, wegen der Corona-Pandemie ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
was ist in diesen Tagen am wichtigsten? Darauf gibt es gerade viele Antworten:

  • gesund bleiben,
  • genug Vorräte im Haus haben,
  • Freunde haben, die einem in der Not etwas vorbeibringen können,
  • ein gutes finanzielles Polster sichern, um Ausfälle zu überstehen,
  • das Leben so organisieren, dass Familie, Beruf, Haushalt irgendwie unter einen Hut gebracht werden können.
Ja, das ist alles wichtig und wird uns helfen, die Corona-Wochen zu überstehen. Aber helfen uns diese Maßnahmen, unseren Lebensmut zu behalten, unsere Zuversicht und Kraft?

Vielleicht suchte auch ein Schriftgelehrter in Jerusalem Antwort auf diese Frage. Er hatte Jesus beobachtet, seine Reden gehört, ihn in Auseinandersetzungen mit Gegnern erlebt. Jetzt trat er selbst an Jesus heran, nicht feindselig, sondern ehrlich interessiert, so schildert ihn uns der Evangelist Markus.

Markus 12,28-34
Ein Schriftgelehrter war dazugekommen und hatte die Auseinandersetzung mit angehört. Als er merkte, wie treffend Jesus den Sadduzäern geantwortet hatte, fragte er ihn: »Welches Gebot ist das wichtigste von allen?« Jesus antwortete: »Das wichtigste Gebot ist dieses: ›Höre, Israel! Der Herr ist unser Gott, der Herr allein. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele, mit deinem ganzen Willen und mit deiner ganzen Kraft.‹ Das zweite ist: ›Liebe deinen Mitmenschen wie dich selbst.‹ Kein anderes Gebot ist wichtiger als diese beiden.« Da antwortete ihm der Schriftgelehrte: »Ja, Lehrer, du sagst die Wahrheit: ›Einer ist Gott, und es gibt keinen anderen Gott außer ihm. Ihn zu lieben mit ganzem Herzen, mit ganzem Verstand und mit ganzer Kraft und seinen Mitmenschen zu lieben wie sich selbst‹, das ist viel wichtiger als alle Brandopfer und anderen Opfer.« Als Jesus merkte, mit wie viel Einsicht der Schriftgelehrte geantwortet hatte, sagte er zu ihm: »Du bist nicht weit weg vom Reich Gottes.«

Gott lieben
Meine Opas habe ich nie kennengelernt. Einer starb kurz nach dem 2.Weltkrieg, der andere, als ich ein halbes Jahr alt war. In unserer Wohnung hingen Bilder der Beiden und meine Eltern erzählten von ihnen. Würde mich jemand nach meinen Opas fragen, hätte ich schöne Geschichten von ihnen parat, könnte auch sagen, dass es für mich besondere Menschen waren, obwohl ich sie nie kennenlernte. Aber ich könnte nicht sagen, dass ich sie liebe, wir hatten ja keine Beziehung zueinander. Ganz anders sieht es da mit meinen Omas aus, die ich aus vollem Herzen liebte, sie waren ein Teil meines Lebens. 

An diesem Beispiel wird deutlich, dass wir nur jemand lieben können, zu dem wir eine Beziehung haben. Und wie bei den Großeltern, die normalerweise dem Enkel ihre Liebe vorauseilend entgegenbringen, so schenkt uns Gott seine Liebe im Voraus, bevor wir darauf antworten können. Gott zu lieben wird nicht von Menschen erwartet, die Gott noch nie erlebt haben, sondern ist Folge von einer Gottesbegegnung. 

Darum geht es beim Wichtigsten im Leben. Wir brauchen eine Liebesbeziehung zu Gott. Hat er sich uns zu erkennen gegeben? Ist er uns begegnet? Können wir seine Handschrift auf unserem Lebensweg erkennen? Schreiben wir ihm zu, wenn wir bewahrt wurden, besondere Führungen erlebt haben, uns vergeben wurde? Wenn ja, wird aus dieser Beziehung Liebe wachsen. 

So antwortet Jesus dem Schriftgelehrten auf seine Frage nach dem Wichtigsten, dass er Gott lieben soll:

  • mit ganzem Herzen. „Mit ganzem Herzen dabei“ bin ich zum Beispiel, wenn ich mit einer Freundin beim Kaffeetrinken zusammensitze, jetzt leider nicht möglich. Sie erzählt mir, was sie beschäftigt, wir tauschen uns aus, und in diesen Momenten möchte ich nirgends anders sein als gerade da. Mit ganzem Herzen Gott lieben, bedeutet in seiner Nähe anzukommen und nicht in Gedanken zu 100 anderen Sachen abzuschweifen. Mich zu freuen, dass er mir jetzt begegnet – beim Beten, Spazierengehen, Lesen, Musizieren und Musik Hören – und mir jetzt zu Herzen geht.
  • mit ganzer Seele. Ich stelle mir vor, dass sich meine Seele in einem verschlossenen Tresor in meinem Inneren befindet. Nur ich habe den Schlüssel. Und oftmals lasse ich die Seele weggeschlossen, gehe über sie hinweg, überhöre ihre Signale und Hinweise. Manchmal verkrieche ich mich in den Tresor, spüre die Schrammen und Dellen, die das Leben ihr zugefügt hat, überdeutlich. Gott mit der Seele zu lieben, fordert mich auf, Gott die Tür des Tresors aufzuschließen, ihn hineinzulassen und ihn da wirken zu lassen. Er wird mir bewusst machen, was mein Innerstes braucht, Gewissheit, Geborgenheit, Sicherheit in diesen Tagen, Zuversicht und Widerstandskraft, Heilung und Mut. Er wird nicht lockerlassen, bis ich mit ihm diesen Schatz in meinem Inneren betrachte und für den Seelen-Schatz mit seiner Hilfe sorge.
  • mit meinem Willen. Meine Topfpflanzen richten sich automatisch nach dem Licht aus. Alle paar Wochen drehe ich sie, um eine gewisse Symmetrie herzustellen. Wir Menschen richten uns nicht automatisch nach unserer Lebensquelle aus. Wir müssen es bewusst tun. Womit füttere ich meinen Verstand? Woher nehme ich meine Nahrung für die Seele? Mit welchen Menschen umgebe ich mich? Wen wähle ich mir zum Vorbild? Das sind Fragen, die meinen Willen, meine Entscheidungen betreffen. Ein Stück weit habe ich es selbst in der Hand, die Beziehung zu Gott zu stärken.
  • mit ganzer Kraft. In meiner Schulzeit malten wir Herzchen auf unsere Schulbänke, wenn wir verliebt waren. Gott zu lieben ist mehr, als Herzchen in unser Andachtsbuch zu malen. Die Liebe äußert sich konkret, und damit kommen wir zum zweiten Zeil der Antwort Jesu, was wirklich wichtig ist.
Mich selbst lieben
Die gefürchtetsten Abschnitte auf unseren Bergtouren waren nicht lange Aufstiege in der prallen Sonne oder steile Wände, die wir hochklettern mussten, sondern die schmalen Gipfelgrate. Da zog es mich fast magisch entweder nach links oder nach rechts in die Tiefe, und ich musste meine ganze Konzentration aufbringen, um nicht herunterzufallen.

Die Selbstliebe ist eine solche Gratwanderung. Auf der einen Seite droht der Absturz, wenn ich mein Selbst am liebsten durchstreichen würde. Keiner mag mich, ich bin nicht liebenswert, habe keinen Platz auf dieser Welt. Es wäre besser, wenn es mich nicht gäbe. Auf der anderen Seite droht die Überhöhung des Ego. Ich bin die Beste, ich stehe im Zentrum der Welt, ich zuerst. 

Auf diesem Grat zu balancieren und nach keiner Seite abzustürzen, ist Geschenk Gottes und braucht Übung. Ich mache mir jeden Tag bewusst, dass es Gottes Liebe ist, die mich am Leben hält, dass er es gut mit mir meint und deshalb niemand das Recht hat, mir zu schaden, und dass ich diese Welt nicht ohne meine Mitmenschen bewegen kann. Meine Nächsten ergänzen meine Leer- und Schwachstellen und sind ihrerseits auf mich angewiesen. So kommen wir zum dritten Teil von Jesu Antwort.

Den Nächsten, die Nächste lieben
In dieser Krise werden wir von höchster politischer Stelle dazu ermahnt, den Blick auf unsere Mitmenschen zu richten. Deutlicher als in vergangenen Zeiten erkennen wir, dass Egoismus tödliche Folgen haben kann. Wer meint, sich trotz Risiko in Menschenmengen bewegen zu dürfen, einfach weil er es kann, schadet seinen Mitmenschen. Wer dagegen den Blick für die Nächsten hat, wird zuhause bleiben, auch wenn er oder sie sich topfit fühlt. 

Dies ist keine spezifische Jesus-Erkenntnis, sondern gesunder Menschenverstand. Was Jesus allerdings neu hinzubringt, ist der Radius, in dem wir Nächsten begegnen. Es sind eben nicht nur Familienangehörige, Nachbarn, Kollegen oder Freunde, sondern 

  • es sind Fremde auch aus anderen Ländern und Kulturen, wie der Überfallene ein Fremder für den Samariter war (Lukas 10,29-37),
  • es sind Feinde, von denen Jesus sagt, dass wir sie lieben und segnen mögen, statt über sie zu fluchen (Matthäus 5,44-45),
  • es sind Ausgegrenzte und von der Gesellschaft Aufgegebene wie die Kranken, Prostituierten und Geächteten, denen Jesus nahe war (Lukas 7,36-50).
Wenn wir uns heute überfordert fühlen, für unsere Mitmenschen Einschränkungen unserer Versammlungs- und Bewegungsfreiheit hinzunehmen, dann ist das erst der Anfang der Nächstenliebe. Sie geht weiter und entgrenzt, sogar Stacheldrähte in Griechenland und soziale Schranken, die unüberwindlich erscheinen. 

Vielleicht ist es in diesen Tagen schwierig, über den eigenen Horizont hinaus diese Liebe zu praktizieren, doch es werden bald andere Zeiten kommen, wo Menschen in unserem Umfeld Geld brauchen, Unterstützung, eine sichere Hand, weil sie aus dem Corona-Tal nicht allein herauskommen. Dann schlägt unsere Stunde, die wir über ein unbegrenztes Potential Liebe verfügen. Das Potential wird in unserer Beziehung zu Gott immer nachgefüllt.

Der Schriftgelehrte war auf der Suche. Was ist das Wichtigste in meinem Leben? Was rette ich aus den Flammen, wenn mein Lebenshaus brennt? Jesus antwortete ihm und uns:

  • Gott liebt dich, deshalb antworte darauf, bleib mit ihm in Beziehung.
  • Liebe dich selbst und lebe mit dieser Überschrift: „Gott liebt mich ohne alles Wenn und Aber“.
  • Liebe deinen Mitmenschen, egal ob nah oder fern, nett oder doof. 
Dann wirst du spüren, wie Gott dir alles gibt, was du dazu brauchst, denn die Beziehung zu ihm ist das Wichtigste in deinem Leben.
Cornelia Trick


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