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Liebe Gemeinde,
Am Ostertag war er nicht bei den Jüngern, die in einem Haus beieinander waren. Vielleicht war er einfach kurz mal Luft schnappen gewesen. Vielleicht war er aber auch allein geblieben, fernab der anderen Jünger, um einen klaren Kopf zu bekommen. Als er jedenfalls wieder zu den anderen stieß, ist dort eine Wende um 180 Grad geschehen. Die Jünger jubelten ihm zu: „Jesus lebt! Er war hier, wir haben ihn gesehen. Wir haben Zukunft, es geht weiter mit Jesus.“ Vielleicht hatten sie den besten Wein auf dem Tisch stehen, stießen an und feierten den neuen Anfang. Thomas muss sich wie im Abseits vorgekommen sein. Sollte er ihnen glauben? Wäre denn Jesus zu seinen Freunden gekommen, ohne auf ihn zu warten? Kein Wunder, dass Thomas in Opposition ging. Nein, den Freunden konnte er nicht folgen. Dazu musste sich Jesus schon ihm selbst zeigen. Und das würde noch nicht einmal genügen. Er wollte ihn berühren, seine Male des Todes fühlen, von Jesus selbst überzeugt werden. Ich kann mich in Thomas gut hineinversetzen. Da berichtete jemand überglücklich von einer Tagung, wo er Gottes Geist ganz intensiv wahrgenommen hatte. Es war eine tiefe Glaubenserfahrung für ihn, und er wollte, dass ich diese Erfahrung auch machte. Er lud mich zum nächsten Treffen ein, aber ich fühlte gleich eine innere Abwehr. Die Organisatoren waren mir fremd, die Art von Glaubenserfahrung ebenso, nein, da wollte ich nicht hin und hatte 100 Argumente dagegen. Doch ich kann mich auch gut bei den 10 Jüngern wiederfinden. Sie hätten Thomas doch so gerne in ihre Freude mit hineingenommen. Immer und immer wieder erzählten sie Thomas bis ins Detail, wie Jesus ihnen durch geschlossene Türen erschienen war. Und doch merkten sie, wie sie Thomas damit nicht erreichten. Seine Türen blieben undurchlässig. Ich denke an einen Nachbarn. Wir hatten so gute, nahe Gespräche. Doch immer, wenn wir auf Jesus und Glauben zu sprechen kamen, bog er ab. „Nein“, meinte er, „das wäre zwar schön für mich, aber nicht für ihn. Er habe da keinen Zugang. Da müsste Jesus schon selbst kommen und ihn überzeugen.“ Wie die Jünger wohl mit Thomas während der Osterwoche umgegangen sind? Waren sie irgendwann genervt von seinen Zweifeln und haben sich von ihm abgewandt? Oder nahmen sie ihn einfach mit und ignorierten seine Abwehr, vertrauend, dass Jesus Wege zu ihm finden würde? Johannes 20,24-29
Extraschicht für Thomas
Wir wohnten mal in einer Wohnung mit Balkon, der Balkon war nur durch eine Wand vom Nachbarbalkon abgetrennt. Wir sahen unsere Nachbarn nie, sie hatten ihren Eingang um die Straßenecke herum, aber wir hörten sie und sie uns. Das führte dazu, dass wir äußerst selten draußen saßen und wenn, dann nur im Flüster-Modus. Die Ewigkeit Gottes ist so nah, als wäre sie durch eine Balkonwand abgetrennt. Jesus hört uns, sieht uns mit all unseren Themen, genauso wie er Thomas hörte. Und er antwortet. Jesus kam noch einmal durch verschlossene Türen, extra für Thomas. Er war nicht abgeschreckt durch Thomas Widerstand, eher ermutigt. Er brauchte nicht Thomas als Türöffner, er fand Wege zu ihm. Auch das ein Zuspruch an uns, Jesus findet Wege zu uns, um Frieden zu bringen. Auch wenn wir die Barrikaden hochziehen. Jesus nahm Thomas Wunsch ernst und bat ihn, ihn zu berühren. Doch Thomas brauchte das nicht mehr, das Sehen reichte. Er war überzeugt: „Mein Herr und mein Gott!“ Thomas holt die am Rand
Stehenden ab
Thomas sagt ihnen: Du kannst eine Woche, ein Jahr, ja, vielleicht viele Jahre deines Lebens mit überzeugten Christen Zeit verbringen, sie immer wieder befragen, nach christlichen Werten leben, aber trotzdem wirst du nicht aus eigener Kraft Jesus finden. Er wird dich finden. Er wird zu dir kommen. Durch verschlossene Türen treten, vielleicht ganze Bretterverschläge überwinden und auch schlechte Erfahrungen mit Christen beiseiteschieben. Er wird dir Frieden bringen, und dann merkst du: Jesus kümmert sich ganz persönlich um dich, gerade um dich. Dir wird innerlich warm werden, und du wirst neue Zuversicht bekommen in allen Unsicherheiten dieser Tage. Jesus findet einen passenden Zugang zu unserem Herzen, was wir tun können, ist nur, uns dafür bereit zu halten, die Wartezeit auszuhalten, vielleicht so wie Thomas, unterstützt durch die Gemeinschaft von Menschen, die Jesus schon erlebt haben. Thomas hat ein Wort an
uns
Neulich las ich ein Rezept für eine Brennesselsuppe. Sie soll sehr gesund sein. Doch nie im Leben würde ich Brennesselsuppe kochen. Meine Mutter erzählte von den Nachkriegserlebnissen, in denen Brennesseln eine große Rolle spielten. Sie waren für ihre Familie damals die Hauptnahrungsquelle, jedenfalls schilderte sie es so. Immer wenn ich Brennesseln sehe, denke ich an ihren Hunger. Sie war Zeitzeugin, und ihre Entbehrungen wurden zu meinen Entbehrungen. So ähnlich können wir uns Thomas vorstellen. Er berichtet uns von seiner Erfahrung mit dem Auferstandenen. Und seine Erfahrung wird zu unserer Erfahrung auch im Zeitabstand. Wie Jesus zu ihm gekommen ist, so wird er auch bei uns Zugangswege finden. Auch für jeden und jede von uns wird er Zusatzschichten eingelegen, wenn nötig auch mehrmals. Er wird nicht lockerlassen, Frieden in unser Leben zu tragen, Freiheit und das Glück, zu ihm zu gehören. Eine ganz besondere Tasse habe ich mir gekauft, Königskind steht darauf. Die nehme ich mir besonders gerne in Thomas-Zeiten, Zeiten des Zweifelns, der Unsicherheit und der Orientierungslosigkeit. Ich nehme sie zur Hand und mache mir klar – Jesus ist unterwegs zu mir, er kommt in mein Herz, egal wie dick meine Zweifel-Türen sind. Ich kann mich darauf verlassen, ihm vertrauen. „Ich bin ganz sicher: Gott wird das gute Werk, das er bei euch angefangen hat, auch vollenden.“ (Philipper 1,6) Cornelia
Trick
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