Es ist der Herr! (Johannes 21,4-13)
Gottesdienst am 3.5.2020 in Brombach, wegen der Corona-Pandemie ohne anwesende Gemeinde

Liebe Gemeinde,
wieder hörte ich einen Bericht über Corona. Der Virologe entfaltete die Gefahrenlage und sprach davon, dass es Monate dauern könnte, bis ein Impfstoff gefunden sei. Die Frage wäre, wer ihn dann zuerst bekäme. Ich stellte mir unsere Situation unter diesen Vorzeichen vor: Videogottesdienste auf Dauer, Besprechungen online, Bibelgespräche per Video, Telefonate, Mails. Aber wenig reale Begegnungen, keine Kindergruppen, kein Austausch beim Kirchenkaffee oder nach einer Gruppenstunde, nicht sich einfach mal so treffen und in größerer Runde miteinander reden. 

Von Gott spüre ich den Auftrag, Menschen zu helfen, in Kontakt mit Gott zu kommen und zu bleiben, Jesus im Gemeindeleben erfahrbar werden zu lassen. Wie soll das gehen ohne Gemeinschaft? Meine leeren Hände waren mir überdeutlich bewusst.

Beim Lesen der nachösterlichen Berichte fand ich mich bei den sieben Jüngern wieder, die am See Genezareth, nahe der Stadt Tiberias, beisammen waren. Ostern war vorbei. Eigentlich hätten die Jünger voller Freude sein müssen. Sie sind dem Auferstandenen begegnet, haben ihn leibhaftig gesehen. Man würde doch erwarten, dass sie voller Freude anderen davon erzählten und ihre Freude übersprang. Stattdessen wirken sie hier am Seeufer eher kleinlaut, ratlos, desorientiert. Längst haben sie Jerusalem verlassen, sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Petrus scheint das Herumsitzen und Warten auf bessere Zeiten nicht mehr aushalten zu können. „Ich gehe fischen“, ruft er den anderen zu. Er geht zurück an die Arbeit, die er gelernt hatte, und die anderen schließen sich an. 

Die Sieben hatten Ostern Jesus lebendig wiedergesehen. Sie wurden Zeugen, dass Leben in Ewigkeit mit Jesus möglich ist und Gott mit ihnen bleibt, sogar im Tod. Und was machen sie? Fischen gehen!

Ein bisschen geht es mir ja auch gerade so. Vor Corona bestand ein wichtiger Teil meines Alltags darin, Menschen zu besuchen, ihnen in ihren oft schwierigen Lebensführungen nahe zu sein, am Krankenbett zu sitzen und ihre Hand zu halten, mit der Jungschar die Welt mit Jesus zu entdecken. Und nun heißt es, telefonieren, Emails schreiben, auf Abstand am Gartenzaun grüßen und die Kranken ganz zu meiden. Gerade dort würde ich die wichtigste Botschaft der Welt hinbringen: „Gott liebt dich. Er will dir nahe sein. Er sieht deinen Kummer und deine Not, deshalb steht Jesus dir zur Seite.“ Und ich „gehe fischen“ in meinem Homeoffice. Es ist eine Zeit des Wartens, der eingeschränkten Möglichkeiten, der Unsicherheit, wie es weitergeht.

Johannes 21,4-13
Als es schon Tag geworden war, stand Jesus am Ufer. Die Jünger wussten aber nicht, dass es Jesus war. Jesus fragte sie: »Kinder, habt ihr nicht etwas Fisch zu essen?« Sie antworteten ihm: »Nein!« Da sagte er zu ihnen: »Werft das Netz an der rechten Bootsseite aus. Dann werdet ihr etwas fangen!« Sie warfen das Netz aus. Aber dann konnten sie es nicht wieder einholen, so voll war es mit Fischen. Der Jünger, den Jesus besonders liebte, sagte zu Petrus: »Es ist der Herr!« Als Simon Petrus hörte, dass es der Herr war, warf er sich seinen Mantel über und band ihn hoch. Er trug nämlich nur ein Hemd. Dann sprang er ins Wasser. Die anderen Jünger folgten im Boot und zogen das Netz mit den Fischen hinter sich her. Sie waren nicht mehr weit vom Ufer entfernt, nur etwa zweihundert Ellen. Als sie an Land kamen, sahen sie dort ein Holzkohlenfeuer brennen. Darauf brieten Fische und Brot lag dabei. Jesus sagte zu ihnen: »Bringt ein paar von den Fischen, die ihr gerade gefangen habt.« Simon Petrus ging zum Ufer und zog das Netz an Land. Es war voll mit großen Fischen – genau 153 Stück. Und das Netz zerriss nicht, obwohl es so viele waren. Da sagte Jesus zu ihnen: »Kommt! Es gibt Frühstück!« Keiner der Jünger wagte es, ihn zu fragen: »Wer bist du?« Sie wussten doch, dass er der Herr war. Jesus trat zu ihnen, nahm das Brot und gab ihnen davon. Genauso machte er es mit dem Fisch.

Predigt ohne Worte
Jesus steht am Ufer, während die Jünger nach erfolgloser Nacht müde und frustriert ans Land rudern. Er kommt gleich zur Sache und fragt nach dem, was sie nicht haben – Fische. Sie haben keine Chance, ihre Schwäche, ihr Unvermögen zu verbergen. Jesus bringt zutage, ihre Hände sind leer. An diesem Tiefpunkt schickt er sie erneut los, und ihre Netze füllen sich. Daran erkennt der Lieblingsjünger Jesus: „Es ist der Herr!“ Denn schon zu Beginn ihres Weges mit Jesus drei Jahre zuvor hatten die Jünger das erlebt. Jesus schickte sie nach erfolgloser Nacht erneut los zum Fischen, und ihre Netze waren übervoll. Nicht nur dieses Erlebnis wird dem Lieblingsjünger in den Kopf gekommen sein. Da waren andere am Weg, die mit leeren Händen zu Jesus kamen, Arme, Schuldige, Ausgestoßene, Verletzte. Ihre leeren Hände konnte Jesus füllen, ihnen ihre Schmerzen nehmen, in ihrer Hoffnungslosigkeit Lebensmut wecken. Der Lieblingsjünger kannte Jesus so. Oft riefen Menschen an ihrem Tiefpunkt nach Jesus, dann wurde er aktiv und öffnete den Weg in eine neue Richtung.

Jesus steht auch bei unseren erfolglosen Fischfangaktionen am Ufer. Er füllt uns die Netze leider nicht im Voraus und auch oft nicht beim ersten Versuch. Er füllt sie uns, um auf sich aufmerksam zu machen. Er zeigt uns, dass keine Not zu groß ist, als dass er sie nicht sieht und wenden kann. Es geht ihm nicht darum, ob wir Erfolg haben oder nicht, sondern dass wir unsere Hände ihm entgegenstrecken, dass er sie füllen kann.

Diese Begegnung am See ermutigt mich. Jesus sieht unsere Sorgen in dieser Corona-Zeit. Er kennt unsere leeren Hände: Wir wissen nicht, wie es gut weitergeht. Wir haben Angst vor der Krankheit. Wir vermissen die Mitmenschen. Wir leiden unter den wirtschaftlichen Folgen. Er kann die Hände füllen, uns beistehen, uns kreative Auswege zeigen und die Solidarität unter uns stärken.

Petrus führt zu Jesus
Eindrücklich wird Petrus geschildert. Der wirft sich den Mantel über, stürzt sich ins Wasser und schwimmt die letzten ungefähr 90m zu Jesus. Er will nicht im Unterhemd vor Jesus auftauchen, es ist eine Geste des Respekts. Wie ich auch nicht zu einer offiziellen Sitzung in einer Jogginghose gehen würde. 

Mit seiner Initiative wird Petrus zum Lotsen für die anderen sechs Jünger. Sie hätten ja ganz selig ihren Fang bewundern können, als wäre es ihr Verdienst gewesen. Sie hätten sich als Team feiern können. Sie hätten zum nächsten Fisch-Vertriebszentrum rudern können, um das schnelle Geld zu machen. Doch Petrus leitet sie zu Jesus ans Ufer. Denn nicht die vollen Hände sind das Wesentliche, sondern der ist wesentlich, der die Hände gefüllt hat. Bei allem, was wir erleben, nicht nur in den Notzeiten, ist Jesus unser Ansprechpartner, der mit uns in Verbindung sein will. Er lässt es in unserem Alltag immer wieder Ostern werden, wo wir ihm neu begegnen, Hoffnung und Orientierung bekommen.

Jesus hat die Mahlzeit schon fertig
Jesus brauchte die Fische der Jünger nicht. Er hatte längst schon die Mahlzeit zubereitet. Warum dann noch zusätzliche Fische der Jünger? Ich erinnere mich an Kochaktionen in der Jungschar. Es wäre viel einfacher und schneller gewesen, wir hätten die Pizzabrote selbst belegt, den Obstsalat selbst geschnippelt. Aber die Kinder waren glücklich, ihren Teil beizutragen. Sie fühlten sich wichtig und lernten dazu. Mit jedem Mal wurden sie fitter und geschickter. Jesus braucht unsere „Fische“ nicht, aber er möchte uns ins Team holen, uns als Mitarbeitende wertschätzen und anleiten.

Sein Ziel ist, uns zu stärken, auf dass wir, gestärkt von Jesus, anderen die Mahlzeiten zur Stärkung zubereiten können. Ich frage mich, wie Jesus mich stärkt. Er tut es im Moment durch Menschen, die mir Mut machen mit einem kurzen Gruß, einem guten Gespräch, einem Impuls, der mich auf neue Gedanken bringt. Andere erzählen, wie sie Jesu Nähe bei einem Spaziergang in der aufblühenden Natur spüren, beim Lesen eines guten Buches, beim Musizieren oder Musikhören.

Ich erlebe Jesu Stärkung auch in dieser Begebenheit am See. Ich bin bei den Sieben dabei, eine Jüngerin mit leeren Händen, die Jesus zum Essen einlädt, damit sie mit neuer Kraft an ihre Aufgaben gehen kann.

153 Fische im Netz
Die Jünger werden die Fische nicht gezählt haben. Der Evangelist nennt hier eine symbolische Zahl. Sie stand damals für die Anzahl der Nationen, somit für die gesamte Weltbevölkerung. Die Jünger würden nicht auf Dauer am See Genezareth Fische fangen, sondern das Evangelium von Jesus zu den Menschen dieser Welt bringen. Und so schließt an diese Begegnung die Apostelgeschichte an, die genau davon berichtet. Die Jünger werden von Jesus erzählen, und Jesus wird ihnen die Türen öffnen, damit sie mit Menschen überall auf der Welt in Kontakt kommen können.

Jesus öffnet auch uns Türen in diesen Corona-Zeiten. Er hält uns trotz Abstandsregeln beisammen und ermöglicht, auf andere Weise über den Glauben ins Gespräch zu kommen. Als ich vor kurzem beim Reifenwechsel war, ergab sich so ein Gespräch ganz unvermutet beim Warten. Ohne Corona hätte ich im Wartebereich gesessen und gelesen, nun standen wir im Abstand ungemütlich vor den Werkstatttoren. „Unser Herrgott will uns doch mit Corona etwas sagen“, so begann meine Gesprächspartnerin, eine offene Tür, um über diesen Herrgott tiefer ins Gespräch zu kommen.

Jesus kann und er tut, damals am Seeufer bei Tiberias und heute, gerade wenn die äußeren Umstände dagegen zu sprechen scheinen. Auch wenn die Kirchen diese Woche noch leer sind, kann er sie auf seine Weise füllen wie die Netze damals. Amen.

Cornelia Trick


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