Glück (Psalm 73,21-26+28)
Gottesdienst am 24.06.2012

Liebe Gemeinde, liebe Freunde,
letzten Sonntag wollte ich mir das Deutschland-Spiel in der EM-Vorrunde im Fernsehen anschauen. Kurz vorher wurden die Gewinnzahlen der Aktion Mensch gezeigt. Die Gewinne beeindruckten mich: Geld, Traumhaus, Wirtschaftsgeld oder Sofortrenten waren im Angebot. Kurz durchzuckte mich der Gedanke, wie es sich wohl anfühlen würde, jetzt die Glückliche zu sein, die gewonnen hat. Doch gleich kamen mir die anderen Geschichten ins Gedächtnis, wie Menschen Geld gewannen und es wieder verloren, wie sie ein Traumhaus bekamen, aber die Familie zerbrach, für die dieses Haus bestimmt war. Wie Leute Geld hatten, aber keine Freunde. 

Die Suche nach dem Glück scheint wie eine Fata Morgana in der Wüste zu sein. Sie lockt und verspricht das größte Glück, Schatten und Wasser im Überfluss, aber sobald man sie erreicht hat, löst sie sich in Luft auf. Das scheinbar größte Glück, z.B. ein großer Gewinn, entpuppt sich bald als größtes Pech.

Glück ist offensichtlich kein Besitz, den man haben und festhalten kann. Sobald ein solches Glück in unseren Händen ist, fängt es an, zwischen unseren Fingern hindurch zu rieseln.

So will ich heute auf ein anderes Glück schauen, das wir nicht in Euro und Quadratmetern messen können, sondern das unser Leben glücken lässt, die Basis dafür ist, dass wir anhaltend glücklich sein können.

Glücklich sein

Wer glücklich ist, der sitzt bildlich gesprochen auf einem Stuhl mit vier stabilen gleich langen Stuhlbeinen. Diese Stuhlbeine beleuchte ich jetzt genauer.
  • Ich bin geliebt: Egal, was ich mache oder was ich gerade bin, da ist jemand, der mich liebt und zu mir steht, ein Freund, eine Partnerin, jemand aus der Familie. Es ist die erste Elternerfahrung, die uns ein Leben lang begleitet. Wir brauchen Geborgenheit und ein Nest, das uns Zuflucht bietet.
  • Ich bin eingebunden: Beziehungen sind ein Geschenk und dringend nötig für unser Lebensglück. Wir sind nicht dazu geschaffen, allein durch die Welt zu gehen. So haben soziologische Studien ergeben, dass unsere höchste Priorität ist, uns einer Gruppe anzupassen. Dafür vernachlässigen wir sogar unsere Überzeugungen. Und wie viele Menschen – auch ohne eigene Familie - fahren jedes Wochenende viele Kilometer, um von ihrer Arbeitsstätte „nach Hause“ zu kommen, wo ihre Freunde und ihr gewohntes Umfeld sind. Die Gemeinschaft mit anderen ermöglicht Stärkung, Austausch, Lernen, Reflektieren, Ausprobieren und Aufbrechen. Sie ist uns Spiegel für unser Verhalten und führt dazu, dass wir uns verändern und aus Sackgassen herauskommen.
  • Ich werde gebraucht: Manchmal träume ich von einem völlig freien faulen Tag, an dem niemand etwas von mir will. Habe ich im Urlaub einen solchen Tag, wird es mir schnell langweilig und erfüllt fühle ich mich schon gar nicht. Aufgaben sind wichtig für das Glücklichsein. Gebraucht zu werden, macht den Alltag sinnvoll. Probleme zu lösen, fordert heraus, aber gibt anschließend ein sehr zufriedenes Gefühl. Einen Beitrag zum großen Ganzen zu leisten, lässt mich mein Eingebundensein in die Gemeinschaft mit anderen wieder deutlich spüren. Umso unglücklicher macht es, in einem Büro zu sitzen und die Zeit einfach abzusitzen, nichts zu tun zu haben, keinen Beitrag leisten zu können, nicht gebraucht zu werden. 
  • Ich habe ein Ziel: Ein Ziel zieht wie ein Magnet an. Ist das Ziel erstrebenswert, hilft es mir über manche Durststrecken und Wüstenzeiten hinweg. Bei einem Dauerlauf am Ziel eine Urkunde zu bekommen, mobilisiert viele Reserven, Schritt für Schritt weiterzulaufen, auch wenn der innere Schweinehund längst aufgegeben hätte. Was ist das Ziel Ihres Lebens? Was zieht Sie nach vorne, wenn SIe sich im Alltag verheddern? Welche Überschrift setzen Sie über Ihren Lauf?
Dennoch glücklich sein
Ein Stuhl kann in Schieflage geraten, wenn eines der Beine zu kurz oder sogar abgebrochen ist. Wenn wir uns ungeliebt fühlen, unsere Beziehungen zerbrochen sind, keine Aufgaben auf uns warten und das Ziel vernebelt ist, kommt unser Glück ganz schön ins Rutschen und wir mit. 

Der Psalmbeter des 73. Psalms hat das erlebt. Er sah in seinem Lebensumfeld, dass die, die sich nicht um Gott kümmerten, gesund, wohlhabend, mächtig waren. Er selbst war vom Unglück verfolgt, es ging ihm schlecht. An Gott ist er irre geworden, verbittert und innerlich zerrissen fühlte er sich wie Vieh, das den Verstand verloren hatte. Der Beter beschrieb in diesem Psalm seine Erfahrung.

Psalm 73,21-26+28

Als ich verbittert war und innerlich zerrissen, da hatte ich den Verstand verloren, wie ein Stück Vieh stand ich vor dir.
Und dennoch gehöre ich zu dir! Du hast meine Hand ergriffen und hältst mich; du leitest mich nach deinem Plan und holst mich am Ende in deine Herrlichkeit. Wer im Himmel könnte mir helfen, wenn nicht du? Was soll ich mir noch wünschen auf der Erde? Ich habe doch dich! Auch wenn ich Leib und Leben verliere, du, Gott, hältst mich; du bleibst mir für immer! Wer sich von dir entfernt, geht zugrunde; wer dir untreu wird, den vernichtest du. 
Ich aber setze mein Vertrauen auf dich, meinen Herrn; dir nahe zu sein ist mein ganzes Glück. Ich will weitersagen, was du getan hast.

Gott ist dem Beter begegnet. Nicht länger redet er von sich und seiner Qual, sondern das Du Gottes steht nun im Mittelpunkt. Gottes Hand hat ihn aufgefangen. Er ist von seinem wackelnden Stuhl nicht ins Bodenlose gefallen, Gottes Hand war unter ihm. Er gewann eine neue Perspektive auf Gottes Handeln in seinem Leben, das ihm Zukunft eröffnete. 

Sein Unglück war damit noch nicht überwunden. Er ist nicht plötzlich mit Reichtum, einem Traumhaus oder einer Sofortrente überschüttet worden. Doch mitten in der Tiefe machte er die Erfahrung, dass er geliebt wurde. Gott hielt zu ihm. Der ihn ins Leben gerufen hatte, hielt ihn auch weiter fest. Er war aufs Neue eingebunden. Gott war sein Freund, nicht sein Feind. Durch ihn fand er neue Freunde, die mit ihm auch im Leid unterwegs blieben. Er wurde gebraucht. Weitersagen wollte er von Gott, damit auch andere darauf vertrauten, dass einer sie hielt, wenn der Lebensstuhl nicht mehr stabil stand. Und der Beter hatte ein neues Ziel gefunden. Geborgen war er in Gott und gewiss, dass Gott ihn am Ende in seine Herrlichkeit holte.

Dennoch glücklich zu sein, war dem Beter möglich, weil er erlebt hatte, dass Gott ihn aufrichtete, auch wenn das eine oder andere Stuhlbein weggebrochen war.

Wir glauben, dass Jesus Christus, Gottes Sohn, uns bis in den tiefsten Absturz, den Tod, vorausgegangen ist. Dass er jede unserer Nöte selbst durchlebt hat und deshalb in der Tiefe immer schon auf uns wartet, um uns aufzufangen. Jesus zu vertrauen auch gerade in Abstürzen aller Art, ist das Dennoch, das überzeugt ist, dass Jesus das Leben wieder in die Balance bringen kann.

Kleine Anleitung zum Glücklichsein

Die Bibel ist voll von Hinweisen, wie glückliches Leben gestaltet werden kann. Immer betont sie, dass alles Glück von Gott kommt und nur in einer persönlichen Beziehung zu ihm durch seinen Sohn Jesus Christus Lebensglück möglich ist. Doch wie sieht das praktisch aus?
  • Im Heute leben: Heute will uns Gott begegnen, heute geht es darum, glücklich zu sein. Schauen wir auf gestern oder übermorgen, verkommt Glück schnell zu einer Wüsten-Fata Morgana. So sind wir aufgerufen, an jedem Tag Schönheit zu entdecken, kleine Liebesbeweise Gottes, Oasen, wo wir Kraft und Mut tanken und uns einfach ausruhen können. „Quält euch also nicht mit Gedanken an morgen; der morgige Tag wird für sich selber sorgen. Es genügt, dass jeder Tag seine eigene Last hat.“ (Matthäus 6,34)
  • Beziehungen gestalten: Beziehungen fallen nicht in den Schoß, wir müssen darin investieren. Freunde tun uns nicht nur gut, sondern wir sollten ihnen auch Gutes tun, verbindlich zu ihnen stehen, Lasten mittragen. Genauso braucht die Beziehung zu Jesus Christus Investition, Zeit, um auf ihn zu hören, Gehörtes umzusetzen, Neues mit ihm zu wagen.
  • Dunkle Täler durchschreiten: Der Beter des 73. Psalms ist in seiner Not zum Heiligtum gegangen, um dort Gott zu begegnen. Die Emmausjünger traf der auferstandene Jesus auf dem Weg. In dunklen Zeiten liegt eine große Versuchung darin, sich in einer Höhle einzuschließen und abzukapseln. Jesus fordert uns auf, uns auf den Weg zu machen, auch wenn das Tal dunkel ist. Er als der gute Hirte will uns da begegnen und uns zum Licht führen. Wir sind nicht allein auf dem Weg, die Fürbitte und Begleitung in der Gemeinde dürfen wir in Anspruch nehmen.
  • Aufgaben anpacken: Aufgaben, die Gott uns vor die Füße legt, sind keine von ihm eingebauten Stolpersteine, sondern sind Hilfen, dass wir neu spüren, wie wichtig wir sind und dass es auf uns ankommt. Vielleicht gefallen uns diese Aufgaben nicht. Wir sehnen uns nach der ultimativen Herausforderung, der Beförderung, Ansehen und Ruhm, und dann bekommen wir Aufgaben, wo wir hinter der Bühne stehen. Erst beim Anpacken wird sich herausstellen, ob Gott diese Aufgaben uns zugedacht hat, dann nämlich, wenn sie plötzlich zu uns passen und wir erleben, dass sie zu Gottes Ehre beitragen.
  • Seelenhygiene: Nichts ist für unser Glück bedrohlicher als alte Geschichten und Lasten, die wir nicht loslassen. Es sind tonnenschwere Gewichte, die wir mit auf den Stuhl setzen, kein Wunder, wenn er zusammenbricht. Lassen wir uns das Gift von Gott aus der Seele spülen, dass es nicht mehr in uns wüten kann. Bitten wir ihn, dass er uns die Kraft zum Vergeben und zum Vergessen schenkt, um wieder leicht und frei zu werden.
„Dir nahe zu sein, ist mein ganzes Glück“, so formuliert es der Psalmbeter. Geliebt, eingebunden, gebraucht zu sein, ein Ziel zu haben, das ist Glück. Unser Erleben heute ist ein kleines Puzzleteil im großen Bild unseres Lebens und unserer Welt. Vielleicht ist es ein sehr dunkles Puzzleteil, aber einmal wird es in das große Bild der Vollendung integriert sein. Da ist auch dieser Tag als winzig kleines  Teilchen wichtig für das Ganze und ein Baustein zum Glück.
Cornelia Trick


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