Lobe den Herrn (Psalm 103,1-6+8)
Gottesdienst am 4.10.2020 in Brombach

Liebe Gemeinde,
Erntedank 2020 ist anders, als wir es gewohnt sind. Wir sehen volle Apfelbäume auf den Feldern, doch wie ein feiner Nebel legt sich unser Lebensgefühl über sie. Unser Herz ist voller Dank für das gute Leben, das wir auch 2020 bisher hatten. Das Brot ging uns nicht aus, wir leben im Frieden und haben eine Regierung, die um eine gute Zukunft ringt. Doch wird unser Herz auch schwer, denken wir an alle Probleme dieser Tage. Wie wird es weitergehen? Wird Corona nur eine Phase sein oder alles fundamentaler verändern? Wie wird sich die Klimaveränderung auswirken, und kommen wir zu spät mit Maßnahmen dagegen? Auch die persönlichen Dunkelheiten spüren wir an diesem Erntedankfest vielleicht deutlicher als sonst.

Das Erntedankfest ist eine gute Haltestelle auf unserer Reise durch das Jahr. Wir können innehalten, um uns neu zu orientieren, ermutigt zu werden und die Reiseroute wieder deutlicher in den Blick zu bekommen. Psalm 103 hilft uns, einen Blick weg von unseren Alltagssorgen hin zu Gott zu werfen. Wir steigen sozusagen aus dem fahrenden Zug, setzen uns einen Moment an die Haltestelle und lassen uns von Gott berühren.

Psalm 103,1-6+8
MIT DAVID VERBUNDEN. Lobe den HERRN, meine Seele! Und alles in mir preise seinen heiligen Namen! Lobe den HERRN, meine Seele! Und vergiss nicht das Gute, das er für dich getan hat! Er vergibt dir alle deine Vergehen. Er heilt alle deine Krankheiten. Er führt dein Leben aus der Todesnähe. Er schmückt dich mit einer Krone – sie besteht aus Güte und Barmherzigkeit. Er versorgt dich mit Gutem dein Leben lang, so fühlst du dich jung wie ein Adler. Der HERR tritt für Gerechtigkeit ein. Allen Unterdrückten verhilft er zum Recht. Reich an Barmherzigkeit und Gnade ist der HERR, unendlich geduldig und voller Güte.

Lob
Es ist offenbar nicht selbstverständlich, Gott zu loben, eine Aufforderung ist nötig: Lobe! Würden wir heute ohne Erntedankfest für die Ernte, volle Kühlschränke und Geschäfte danken? An der Haltestelle dieses Tages werde ich deshalb ganz persönlich gefragt: „Wofür hast du heute zu danken?“

Eine Streichholzschachtel ist mir bei der Vorbereitung auf dieses Fest in die Hände gefallen. Sie half mir, darauf Antwort zu geben. Ich nahm ein Streichholz nach dem anderen heraus, jedes belegte ich mit einem Grund zum Danken:

  • Ich dankte für die Basis meines Lebens, genug zu essen, eine Wohnung, Wärme und Schatten, Kleidung und ärztliche Versorgung.
  • Ich dankte für die Beziehungen, Menschen, mit denen ich verbunden bin, Familie, Freunde, Weggefährten, Leute, die ich mag und die mich mögen.
  • Ich dankte für Begegnungen, ein Gespräch, eine von Gott vorbereitete Begegnung, mit der ich nicht gerechnet hätte, Hilfe, Stoppschilder und neue Horizonte.
  • Ich dankte für Erfahrungen, Bewahrung, Gebraucht-Werden, Beschenkt-Werden, Gehalten-Werden in der Not. 
Bald war die Streichholzschachtel leer. Als ich alle Hölzchen vor mir sah, staunte ich über Gottes Güte, das Lob kam mir aus voller Seele.

Der Psalmbeter erinnert: „Vergiss es nicht! Nimm die Streichhölzer mit dir. Immer wenn sich dein Herz zusammenzieht, du unglücklich, überfordert bist oder dich alleingelassen fühlst, nimm ein Hölzchen aus der Schachtel und sei gewiss, dass Gott mit dir weitergeht.“

Vergebung
Für den Psalmbeter ist von allen Geschenken Gottes die Vergebung offenbar am wichtigsten. Dieser Psalm wird mit David in Verbindung gebracht. Ja, es gab einiges, was in seinem Leben schiefgelaufen ist. An kriegerischen Auseinandersetzungen hatte er teilgenommen, Ehebruch hatte er begangen, mit seinen Kindern ist er nicht klargekommen, was zu Revolten und Zerbruch führte. Mit seinem Wunsch, die eigene Stärke zu beweisen, brachte er eine Seuche über seine Leute, sodass am Ende 70.000 Menschen starben. David hatte wohl allen Grund, um Vergebung zu bitten. Doch nur er? Sind wir nicht auch belastet von manchem, das in unserem Leben nicht rund gelaufen ist? 

Die Streichhölzer lassen sich auch mit einer anderen Überschrift aus der Schachtel nehmen. Sie erinnern mich daran, was bei mir falsch gelaufen ist:

  • Ich habe vorschnell über Menschen geurteilt.
  • Ich habe zu schnell aufgegeben.
  • Ich bin mit Scheuklappen an der Not anderer vorbeigegangen.
  • Ich habe mich zu wenig eingesetzt, um Hoffnung zu verbreiten.
  • Ich war zu ungeduldig und habe zu wenig hingehört.
Gott vergibt, so stellt es der Psalmbeter fest. Diese Streichhölzer kann ich abbrennen lassen. In Jesus haben wir Gottes Garantie darauf und noch dazu einen Bewährungshelfer. Gottes Vergebung setzt unser Konto bei ihm auf 0.

Doch dabei kann es nicht bleiben, sonst sind wir nach wenigen Tagen wieder im Minus. Die eigentliche Herausforderung für uns ist das Danach. Wie gehen wir als Begnadigte in die Zukunft? Wie schaffen wir es, nicht wieder in die alten Routinen zu verfallen, die gleichen Fehler zu wiederholen? Davor kann uns Jesus bewahren, uns an die Hand nehmen und aufmerksam machen auf die Fallen, in die wir treten könnten. Er ruft mir zu: Vorsicht, nicht schon wieder, denke nach, höre hin, halte dich zurück oder nimm dir ein Herz und laufe los. Die abgebrannten Streichhölzer helfen mir, mich daran zu erinnern.

Heilung
Weiter heißt es, dass Gott unsere Krankheiten heilt und uns aus Todesnähe herausführt. Gerade hier regt sich bei mir leiser Widerspruch. Viele Krankheiten sind chronisch, sie werden nicht geheilt in diesem Leben. Nicht jede wird vom Tod errettet. Ich stehe am Grab eines vergleichsweise jungen Bekannten und frage mich, warum seine Gebete nicht erhört wurden. Vollmundig kann ich den Psalm an dieser Stelle nicht mitbeten.

Auch hier hilft mir ein Blick zu Jesus. Er heilte nicht mit der Gießkanne – alle Kranken in Kapernaum oder Galiläa. Er wandte sich einzelnen zu, ließ sie einen Sonnenstrahl aus einem wolkenverhangenen Himmel spüren. Diese Heilungen waren wie ein Probierlöffel vom Himmel, und besondere Heilungen als Gebetserhörungen sind es bis heute. Sie lassen uns etwas von der Ewigkeit kosten, wo wir heil und ganz sein werden, im Frieden leben dürfen in Gottes unmittelbarer Nähe.

So leitet uns diese Aussage an, jede einzelne Genesung zu feiern, weil sie nicht selbstverständlich ist, sondern ein Vorgeschmack auf die Ewigkeit. Sie gibt uns Gewissheit, dass Gott für uns sorgen wird, auch wenn wir diesen Sonnenstrahl aus dem Himmel gerade nicht erleben und vielleicht sogar erst im neuen Leben bei Gott eine Heilung erfahren dürfen.

Gerechtigkeit
Eine Seele, die lobt, bleibt an der Haltestelle „Erntedankfest“ nicht sitzen. Gott ist gerecht, er gibt jedem, jeder, was sie braucht, aber er fordert auch die heraus, die in die Puschen kommen sollten, um zu teilen und aufzuhelfen. Er ist zugleich barmherzig und herausfordernd, weil niemand nur bedürftig und niemand nur Helfer sein kann und soll.

Nach dem Atemholen an der Haltestelle können wir wieder frisch unseren Weg mit Jesus fortsetzen. Dabei hilft uns unsere Streichholzschachtel. Wir nehmen die Hölzchen heraus und erinnern uns an Erfahrungen mit Gott. Wir nehmen Hölzchen in die Hand und verbrennen sie, stellvertretend für das, was uns nicht gelungen ist, wo wir versagten oder aus Gottes Liebe herausgefallen sind. Wir nehmen eine leere Streichholzschachtel und füllen sie mit neuen Erfahrungen. Wir können offen sein für Menschen, die uns begegnen, unsere Hilfe brauchen oder uns eine neue Sicht ermöglichen. Wir werden getröstet in schwierigen Phasen und Misserfolgen. Darin sind wir nicht allein, Jesus ist dabei und will das Gute für uns.

Ich bin neugierig, wie Gott mir die Streichholzschachtel füllen wird und bin sicher, dass die Hölzchen reichlicher sein werden, als eine Schachtel fassen kann.

Barmherzig und gnädig ist der Herr, geduldig und von großer Güte. (Psalm 103,8 Lutherübersetzung)

Cornelia Trick


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