|
Liebe Gemeinde,
Doch Jesus griff nicht ein. Die Kirchen wurden am nächsten Tag geschlossen. Wir hatten keinen Plan B in der Hand, sondern tasten uns seither vorsichtig von Tag zu Tag. Was wir als Gemeinden erlebt haben, können viele in ihrem eigenen Leben nachvollziehen. Die Älteren, die wochenlang in ihren Seniorenheimen isoliert waren, die Schüler zuhause und die Eltern im Dauerstress, alles unter einen Hut zu bekommen, die Kurzarbeitenden oder die, die noch nicht einmal Kurzarbeitergeld bekommen, am Rande der Existenz. Und ganz persönliche Vorhaben waren dahin und verplatzten wie eine Seifenblase, unser Neffe zum Beispiel musste seine Hochzeit absagen. Und Jesus? Hätte er uns nicht davor bewahren können? Eine Situation während seiner Wirkungszeit in Galiläa greift genau diese Frage auf. „Jesus, wo bist du? Schläfst du etwa, während wir um unser Überleben kämpfen?“ Die Jünger waren schon den ganzen Tag mit Jesus am See Genezareth. Er stand in einem Boot am Ufer, die Leute lagerten um ihn herum am Strand. Jesus erzählte ihnen von Gott. Wie er ihnen Liebe schenken wollte, wie diese Liebe sich in ihrem Herzen entfalten konnte, wie ihr Leben erfüllt würde mit Gottes Kraft. Nach einem langen Tag war es Abend geworden, man brach langsam auf, die einen auf dem Landweg, die anderen mit dem Boot. Markus 4,35-41
Die Jünger im Boot
Ein Freund von mir hatte den ganz deutlichen Hinweis Jesu gehört, eine neue Arbeitsstelle anzunehmen. Er sagte: „Jesus hat mir klar gesagt, dass er mich dort braucht, also gehe ich.“ Das gab ihm ein großes Sicherheitsgefühl. Er fühlte sich nicht allein im Boot, sondern Jesus war dabei. Er vertraute darauf, dass es bei dieser neuen Arbeitsstelle gut für ihn werden würde. Wenn ich morgens meinen Tag mit Jesus beginne, dann weiß ich mich in seiner Nähe geborgen. Ich klettere bildlich gesprochen zu ihm ins Boot. Er wird mich bewahren, mir helfen, mit ihm kann mir nichts passieren, so mein Gefühl. Der Sturm
Wir sind nicht im Seesturm auf dem See Genezareth. Aber die Lage wird uns nicht unbekannt sein. Der Freund erlebte am neuen Arbeitsplatz schwierige Situationen. Ohne seinen Auftrag erfolgreich zu beenden, musste er die Firma wieder verlassen. Es beschäftigte ihn stark, dass er um Jesu Zusage wusste und sich doch allein gefühlt hatte. Die Tage des Corona-Ausnahmezustands sind auch wie ein Seesturm über uns hereingebrochen. Unser sicherer Boden kam ins Wanken. Unsere Pläne waren dahin. Das Auskommen von vielen ist unsicher geworden. Unsere sozialen Beziehungen liegen auf Eis. An kommunikatives Gemeindeleben ist bis jetzt nicht zu denken. Wir sind beschäftigt damit, unser Boot auf Kurs zu halten, uns festzuhalten und den Sturm irgendwie zu überstehen. Und Jesus? Schläft er? Jesus im Boot
Jesus vertraut auch seinen Freunden. Einige von ihnen sind gelernte Fischer. Sie kennen den See in- und auswendig. Sie wissen, was man bei einer solchen Bedrohungslage tut. Bei ihnen ist er in besten Händen. Ich kenne diesen Vertrauens-Schlaf. Sehr gerne fahre ich Bahn und mache da auch gerne ein Nickerchen. Die Bahn rollt auf Schienen, kein Gegenverkehr ist zu erwarten, der Lokführer hat alles im Griff, ich kann entspannt wegdösen. Ganz anders, wenn ich als Beifahrerin im Auto mitten im Berufsverkehr sitze. Ich kann dem Fahrenden nicht helfen, aber ich bin angespannt, verfolge die Verkehrslage, achte auf Ampeln und Blitzer. An Schlaf ist nicht zu denken. Wir sehen Jesus im Boot schlafen, er ist nicht desinteressiert, sondern ist ganz da. Er vertraut und wird uns damit zum Vorbild, wie wir die Stürme des Lebens überstehen können, tief verankert in Gottes Liebe. Jesus traut uns zu, dass wir unseren Beitrag zur Bewältigung der Krise leisten können. Er bewahrt uns nicht vor jeder Not, lässt uns nicht als seine Marionetten über den aufgepeitschten See schweben, als ob nur die anderen Stürme zu erleiden haben. Er lässt uns machen, aber greift ein, wo die Not zu groß wird. Er zeigt sich in unserer Schwäche und hilft uns, die Stürme zu durchstehen. Er verspricht uns nicht auf Dauer eine ruhige See. Die wird es erst in der Ewigkeit geben. Bis dahin müssen wir immer wieder damit rechnen, urplötzlich aus der Bahn geworfen zu werden. Was wir lernen
Die anderen Boote
Ich spinne für mich die Geschichte weiter: Vielleicht haben ihnen die Jünger am anderen Seeufer von Jesus erzählt, seinem Schlaf, seinem Vertrauen und seinem Machtwort. Vielleicht haben die Jünger sie neugierig darauf gemacht, Jesus ins eigene Boot einzuladen und ihn selbst zu erleben. Das wäre doch schön, wenn unsere Mitmenschen durch uns von Jesus berührt würden und wir ihnen jetzt und später erzählen könnten, wie Jesus uns geholfen hat, diese schwere Zeit zu durchleben, und wie wir wieder neu erfahren haben, dass man ihm wirklich trauen kann. Cornelia
Trick
|