Gottesdienst am 24.5.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
vergangenen Freitag hatten
wir zum ersten Mal seit über 2 Monaten wieder Kirchlichen Unterricht
in unserer kleinen Gruppe. Während der langen Wochen überlegte
ich, was die Jugendlichen als Impulse brauchten, um mit Jesus in Kontakt
zu bleiben. Sollten sie ihre Bibelkunde vertiefen? Sollten sie die Kirchengeschichte
studieren? Beides schien mir für ihr Glaubensleben eher zweitrangig
zu sein. Ich wollte ihnen Begegnungen mit Jesus ermöglichen, sie teilhaben
lassen an Jesu Leben und Wirken. So haben wir Videos geteilt, die auf unterschiedliche
Weise Jesus beleuchteten.
Was brauchen wir am nötigsten?
Wohl ganz ähnlich wie die Jugendlichen des Kirchlichen Unterrichts
hilft es uns, Jesus näher zu kommen und zu erleben, wie Jesus uns
findet, ansieht, uns hilft, die nächsten Schritte zu gehen, Antworten
auf unsere Fragen zu finden.
Schließen wir uns
also Jesus und seinen Jüngern an und begleiten sie an einem Tag in
Jerusalem. Es ist Sabbat. Jesus war gerade mit seinen Freunden im Tempel
und geriet in eine Auseinandersetzung mit Pharisäern, jüdischen
Gesetzeslehrern. Die Diskussion eskalierte, und seine Gegner wollten Jesus
steinigen. Jesus verließ eilends den Schauplatz im Tempel und befindet
sich nun auf dem Tempelvorplatz.
Seine Jünger, gerade
noch in einer äußerst gefährlichen Situation, scheinen
das Geschehen schnell abgehakt zu haben, denn sie lassen ihren Blick über
die Leute schweifen und bleiben an einem blinden Bettler hängen. Man
sieht diesem Mann an, dass er schon seit seiner Geburt blind ist. Das war
ein deutliches Zeichen für die Gläubigen damals, dass irgendwo
in seiner Familiengeschichte eine Sünde schlummern musste, die zu
dieser Krankheit als Strafe Gottes geführt hatte. Die Jünger
nehmen diesen Blinden zum Anlass, Jesus in ein grundsätzliches Gespräch
zu verwickeln: „Wer hat Schuld, dass dieser Mensch krank ist?“
Doch Jesus lässt sich
nicht auf diese theoretischen Fragen nach der Ursache von Leid ein. Er
sieht diesen kranken, von der Gesellschaft ausgeschlossenen Menschen an,
er spürt, was er braucht, und handelt. Aus Erde rührt er einen
Brei an und schmiert ihn dem Blinden auf die Augen. Ob der Blinde damit
einverstanden ist? Zwar ist nichts darüber berichtet, aber er wird
wohl Hilfsangebote aller Art angenommen haben. Mit diesem Brei verdeutlicht
Jesus, dass hier etwas Neues beginnt, so wie Gott nach dem Schöüpfungsbericht
aus Erde die ersten Menschen geschaffen hatte. Mit dem Brei auf den Augen
schickt er den Kranken quer durch die Stadt einen Kilometer Luftlinie weit
zum Teich Siloah. Dort soll er sich die Augen waschen und sehend werden.
Der Mann läuft los, ein Vertrauensakt. Am Teich Siloah wird er sehend.
Johannes 9,8-38 in Auszügen
Da sagten seine Nachbarn
und die Leute, die ihn vorher als Bettler gekannt hatten: »Ist das
nicht der Mann, der immer dasaß und bettelte?« Sie brachten
den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war nämlich
Sabbat gewesen, als Jesus den Brei gemacht und dem Blinden die Augen geöffnet
hatte. Einige von den Pharisäern sagten: »Dieser Mensch Jesus
kommt nicht von Gott, denn er hält den Sabbat nicht ein.« Andere
meinten aber: »Wie kann jemand solche Zeichen vollbringen, wenn er
selbst ein schuldbeladener Mensch ist?« So bildeten sich zwei Lager
unter ihnen. Da fragten sie den Blinden nochmals: »Was sagst du über
ihn? Schließlich hat er dir die Augen geöffnet!« Er antwortete:
»Der Mann ist ein Prophet.« Schließlich ließen
sie seine Eltern rufen und befragten sie:
»Ist das euer Sohn?
Ihr behauptet, dass er von Geburt an blind war. Wieso kann er jetzt sehen?«
Die Eltern antworteten: »Wir wissen, dass er unser Sohn ist und blind
geboren wurde. Wir wissen nicht, wieso er jetzt sehen kann. Wir wissen
auch nicht, wer ihm die Augen geöffnet hat. Fragt ihn selbst. Er ist
alt genug, um für sich selbst zu sprechen.« Die Pharisäer
ließen den Mann, der blind gewesen war,
nochmals zu sich rufen.
Sie forderten ihn auf: »Bei der Herrlichkeit Gottes, sag' die Wahrheit!
Schon bei deiner Geburt warst du ganz und gar mit Schuld beladen! Und du
willst uns belehren?« Und sie warfen ihn aus der jüdischen Gemeinde
hinaus. Jesus hörte, dass sie den Mann aus der jüdischen Gemeinde
geworfen hatten. Er suchte ihn auf und fragte ihn: »Glaubst du an
den Menschensohn?« Der Mann erwiderte:»Wer ist es denn, Herr?
Ich will gerne an ihn glauben.« Jesus antwortete: »Du hast
ihn schon gesehen. Es ist der, der mit dir redet.« Da sagte der Mann:
»Ich glaube, Herr!« Und er fiel vor ihm auf die Knie.
Reaktionen
Aus vier verschiedenen
Blickwinkeln wird das Geschehen beleuchtet.
Da sind die Nachbarn.
Sie kennen den Mann seit Kindheit an. Sie wohnen neben der Familie, haben
ihr Leid mitbekommen. Nun sehen sie, dass der Blinde sehen kann. Doch statt
zu jubeln und ihm um den Hals zu fallen, scheinen sie auf der Zuschauertribüne
stehenzubleiben. Sie hatten vielleicht den Tumult im Tempel rund um Jesus
mitbekommen. Sie fragen sich, ob alles seine Richtigkeit hat, was die Pharisäer
wohl dazu sagen würden, dass der Blinde ausgerechnet am heiligen Sabbat
gesund geworden ist. Dem Mann gegenüber scheinen sie gleichgültig
zu sein, aber ein Spektakel wollen sie gerne sehen.
Da sind die Pharisäer.
Sie fühlen sich als Jury, die darüber befindet, ob die Menschen
nach Gottes Geboten richtig leben oder nicht. Sie wähnen sich auf
jeden Fall außer Konkurrenz richtig, da sie Gottes Gebote vorbildlich
leben. In der Frage, ob Jesus von Gott Vollmacht hat, obwohl er gegen sein
Sabbatgebot verstößt, sind sie sich nicht einig. Nicht alle
Pharisäer meinen von sich offensichtlich, Gottes Willen genau zu kennen.
Da sind die Eltern. Sie
halten sich bedeckt. Ihre Lebenserfahrung lehrt sie, möglichst unauffällig
in der Menge zu leben. Seit ihr Sohn blind geboren wurde, stehen sie unter
Verdacht, eine Leiche im Keller zu haben, für die Gott sie straft.
Bis jetzt konnten sie trotz Anfeindungen ihr Leben ganz gut führen,
das wollen sie nicht aufs Spiel setzen. Sie schielen nach der Mehrheitsmeinung,
die vertreten sie auch.
Da ist der Geheilte. Er
steht mitten auf der Bühne. Er hatte direkten Kontakt zu Jesus, hat
seine Hände gespürt und seine Worte gehört. Er erfuhr die
krasse Verbindung Jesu zu Gott, der Quelle des Lebens und der Heilung.
Er kann gar nicht anders, als sich zu Jesus zu stellen, auch wenn er damit
riskiert, schon wieder im Abseits, außerhalb der Gemeinde zu stehen.
Jesus bedeutet ihm mehr als all die Menschen, die ihn in der Vergangenheit
wie einen unerwünschten, schmutzigen Lappen behandelt hatten.
Und wir?
Die vier Positionen waren
nicht nur damals besetzt, sondern fordern uns auch heute auf, selbst Stellung
zu beziehen:
Die Nachbarn als Zuschauer.
Schaue ich auf Jesus und Christen wie ein Gast auf der Tribüne?
Bei einem Kaffeekränzchen
erzählte mir mein Gegenüber, was er von Christen hielt. Er meinte,
dass sie sehr gut wären, um sich um Kranke und Arme zu kümmern.
Aber das könnten auch Leute, die nicht an Gott glaubten. Er fand,
die Christen seien zu verbohrt, hätten in der Vergangenheit immer
wieder Kriege angezettelt, weil sie anderen ihren Glauben aufdrücken
wollten. Er hätte das lange genug beobachtet.
Die Pharisäer als
Beurteilende. Meine ich zu wissen, was Gottes Wille ist?
Wir saßen in einer
Sitzung. Es ging um das Thema Homosexualität, und wie wir die Bibel
heute verstehen. Jemand warf einem anderen vor, er würde Gottes Wort
verdrehen, hätte nicht den richtigen Glauben. Der andere saß
da wie vom Blitz getroffen. Auch er hatte ja gute Argumente für seine
Haltung. Wie kam sein Kontrahent dazu, ihm seinen Glauben, seine Beziehung
zu Jesus abzusprechen? Er fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen,
so erzählte er später, und nur mit Mühe brachte er die Entgegnung
über die Lippen: „Du bist gerade zu weit gegangen. Du hast mir meine
Jesus-Beziehung abgesprochen, das tut mir weh.“
Die Eltern als Wechselwähler.
Ordne ich meine Beziehung zu Jesus meinen anderen Beziehungen unter?
Ein Bekannter von mir
hatte sich zu tief in die Online-Spiele-Welt begeben. Er hatte Angstattacken,
litt unter Schlaflosigkeit und spürte, wie ihm das reale Leben mehr
und mehr entglitt. Er rief in seiner Not Jesus um Hilfe an, fand einen
guten Begleiter und konnte den Ausweg finden. Ich freute mich damals so
sehr über dieses offensichtliche Eingreifen Jesu und erwartete, dass
der Bekannte nun sein Leben ganz mit Jesus verbinden würde. Doch er
konnte sich nicht entscheiden, anderes war bald wichtiger, seine Freunde
hielten ihn ab, und der Glaube an Jesus geriet mehr und mehr in den Hintergrund.
Die Heilung war kein Neubeginn, sondern eine Episode am Weg geblieben.
Der Geheilte hatte am Tiefpunkt,
im Dunkeln Jesu Hand gespürt. Er nutzte seine Chance und ging quer
durch die Stadt, vertrauend, dass Jesus ihn zurück ins Leben schickte.
Wenn ich mich zu ihm stelle,
dann lasse ich mich von Jesus ansehen in meiner ganzen Bedürftigkeit.
Ich lasse mich schicken, um mir helfen zu lassen und Jesus eine Chance
zum Wirken zu geben. Ich lasse mir einen neuen Anfang schenken, einmal,
zweimal, immer wieder. Und ich will diesen Kontakt zu ihm um nichts in
der Welt mehr abreißen lassen. So kann ich mit dem Geheilten sagen:
„Ich vertraue!“
Wir sind mit den Jüngern
mitgelaufen und haben Jesus beobachtet so wie die, die ihm damals begegnet
sind.
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Von den Zuschauerrängen
zum Geheilten kommen wir als Nachbarn, wenn wir uns von Jesus Empathie
schenken lassen.
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Wir können unsere pharisäerhafte
Jury-Position aufgeben, wenn wir von Jesus Demut lernen.
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Mit Jesu Hilfe können
wir unsere Angst vor anderen überwinden und uns mutig zu Jesus stellen,
anders als die Eltern.
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Die attraktivste Position
ist wohl die des Geheilten. Uns ansehen lassen von Jesus, uns losschicken
lassen, uns eine neue Sicht eröffnen lassen, dazu müssen wir
nicht erst blind werden, sondern nur offen und bereit für Jesu Gegenwart
hier und heute.
Jesus sagt: Ich bin das Licht
der Welt. Wer mir folgt, wird nicht im Dunkeln bleiben, sondern das Licht
des Lebens haben. (Johannes 8,12)
Cornelia
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