Gottesdienst am 23.8.2020
in Brombach
Liebe Gemeinde,
seit meinem Wildunfall
im letzten Herbst hat sich mein Autofahren verändert. Vorher rechnete
ich zwar mit der theoretischen Möglichkeit, es könnte ein Reh
oder Wildschwein meinen Weg kreuzen, doch bisher waren sie immer artig
am Straßenrand stehengeblieben. Seither allerdings weiß ich,
dass Tiere keine Vorfahrtsregeln beachten und der Wald belebter ist, als
gedacht. Bin ich mal in Gedanken und etwas schneller auf leerer Straße
unterwegs, ermahnt mich die Erinnerung an den Knall damals, und ich gehe
sofort vom Gaspedal.
Christen in Kleinasien
hatten im 1.Jahrhundert ganz Ähnliches wie Wildunfälle erlebt.
Sie waren zum Glauben an Jesus gekommen und hatten eine nie gekannte Freiheit
entdeckt. Sie waren geliebt, mussten keine Bedingungen erfüllen, um
zu Gott zu gehören, hatten eine neue Familie bei den Christen bekommen
und eine Hoffnung über den Tod hinaus.
Doch es gab diese Zusammenstöße
mit dem engsten Umfeld. Opferfeste für die griechischen Götter
waren für sie nun tabu, das irritierte ihre Umgebung. Sie hatten neue
Freunde, die für die alten Freunde seltsam wirkten. Sie schienen ihr
Leben unbesorgter zu führen. Waren sie für ihre Mitmenschen Aussteiger,
sogar gefährlich für andere? Das fragten sich die Leute und begegneten
ihnen mit Skepsis, Ablehnung und Ausgrenzung.
Christen lebten nach den
ersten Zusammenstößen wachsam. Sie wollten den Konfrontationen
möglichst aus dem Weg gehen und doch nach dem Vorbild Jesu ihren Alltag
gestalten.
Der 1.Petrusbrief ist ein
Seelsorgeschreiben in ihre Situation. Petrus ermutigt die Christen der
Gemeinden in Kleinasien, ihrem Glauben und einem entsprechenden Lebenswandel
Raum zu geben.
1.Petrus 1,13-16
Deshalb macht euch bereit.
Bewahrt einen klaren Kopf. Setzt eure Hoffnung ganz auf die Gnade, die
euch bei der Offenbarung von Jesus Christus zuteilwird. Lasst euch als
gehorsame Kinder nicht von euren früheren Begierden leiten. Sie beherrschten
euch, als ihr noch unwissend wart. Vielmehr sollt ihr in eurer ganzen Lebensführung
heilig werden – so wie der heilig ist, der euch berufen hat. In der Heiligen
Schrift steht: »Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig.«
„Macht euch bereit!“, so
formuliert es die Übersetzung der BasisBibel. Man soll also damit
rechnen, dass ein Zusammenstoß mit Andersdenkenden und -glaubenden
passieren kann. Dazu ist Vorbereitung nötig: Sein eigenes Verhalten
zu überprüfen und sich im Alltag von Jesu Vorbild leiten zu lassen.
So besteht Hoffnung, dass jemand Christen nicht nur als bedrohlich empfindet,
sondern diese Lebensweise auch kennenlernen will.
So bemüht sich Petrus,
seine Leute zu motivieren, aus der Angststarre vor den Gegnern herauszukommen
und fröhlich ihren Glauben im Leben umzusetzen.
Das kann uns auch helfen,
unseren eigenen Alltag zu überdenken und zu verändern.
Petrus schreibt von Begierden,
die die Leute zurücklassen sollten. Was damit gemeint war, lässt
sich vielleicht so zusammenfassen. Alles, was mich im Griff hat und daran
hindert, mein Leben vertrauensvoll mit Gott zu führen, sollte aufgegeben
werden. Das war damals nicht leicht und ist heute nicht leicht. Wir spüren
es in diesen Monaten so deutlich, wo unser Leben sich coronabedingt verändert
hat. Im Nachhinein erkennen wir, was uns in unserem Alltag im Griff hatte,
Termine, Treffen, Aktionen, Freizeitstress. Und all das konnte uns auch
von Gott fernhalten, bekam er eben nur die Termine der Resterampe in unserem
übervollen Kalender.
Petrus ermutigt zum nächsten
Schritt, raus aus dem, was uns im Griff hat, hin zu Jesus, der befreit.
Letztes Jahr bewohnten
wir eine Ferienwohnung, die ganz neu eingerichtet und perfekt ausgestattet
war. Es fehlte an nichts, und mir kam der Gedanke, dass ich eigentlich
so Vieles, was zuhause in den Schränken ruht, gar nicht bräuchte.
Eine vollständige Küche, Klamotten für 2 Wochen, WLAN und
Heizung, das reicht doch eigentlich. Und am besten wäre es, den ganzen
Plunder zuhause gar nicht entsorgen zu müssen, sondern hier gleich
neu anfangen zu können ohne Altlasten.
Ja, das bietet Jesus an,
ein neues Leben, sehr viel unbelasteter als zuvor, ohne lästiges Aus-,
Umräumen und Sortieren, unbeschwert und frei. In die leeren Schränke
und Regale kommen nun neue Inhalte, die Jesus vorgibt und die hier zusammengefasst
sind mit dem Begriff, heilig zu sein.
Heilig zu sein, meint,
wie im Einflussbereich eines Heizpilzes zu stehen. Heizpilze stehen oft
vor Restaurants, um den Rauchenden etwas Wärme zu geben. Wer nahe
dabei steht, spürt die Wärme, wer weiter weg geht, entzieht sich
ihr. So ist es mit dem Heilig-Sein. Sind wir nahe genug am „Heizpilz“ der
Liebe Gottes, durchströmt und verändert sie uns.
Dieses Heilig-Sein äußert
sich in verschiedener Hinsicht, Petrus führt es im Kapitel 4 aus:
-
Wachsam sein, um zu beten.
Beten meint hier, mit Gott in ständigem Austausch zu sein und sich
für seine Wegweisung zu öffnen. Dazu hilft, den Blick über
den eigenen Tellerrand zu richten. Es geht nicht nur darum, für meinen
Tag und die eigenen Anliegen zu beten, sondern die Anliegen der Umgebung
mit einzubeziehen. Wo werde ich gebraucht? Wo ist die Not groß, und
Gott kann mir zeigen, ob ich helfen kann? Worauf weist mich Gott hin, dass
ich meinen Platz erkenne? Aus dem direkten Kontakt mit Gott kommen die
Wegweisungen für den Tag.
-
Ausdauer in der Liebe: Im
Familienleben mit kleinen Kindern wird diese Ausdauer täglich praktiziert,
da wird gestritten, die Türen knallen und ein Bauklotz fliegt durch
die Gegend, doch die Eltern werden ihre Kinder trotzdem lieben, auch am
nächsten Tag noch. Schwieriger wird es mit Menschen, die enttäuscht
haben. Ihnen mit Ausdauer liebend zu begegnen, ist herausfordernd. Doch
genau dazu befähigt uns Gott. Ich versuche, es mal konkreter zu machen.
Da hat jemand schlecht über mich geredet. Ich bin sauer, denn es war
nicht das erste Mal. Und nun soll ich diese Person ausdauernd lieben? Ich
mache mir klar, die Person nicht ändern zu können. Sie wird wahrscheinlich
wieder über mich oder andere herziehen. Ich kann nur von mir aus ein
Friedensabkommen schließen. Ich bin dieser Person nicht böse,
sie ist einfach so. Ich versuche, mich zu schützen, minimiere den
Kontakt, um keine Angriffsflächen zu bieten. Immer, wenn ich an die
Person denke, schaue ich nach oben und schicke ein Gebet los: „Herr, nimm
du dich dieser Person an, ich kann es nicht.“. Ich bin bereit, zugeschlagene
Türen wieder zu öffnen, wenn der Impuls von der Person kommt.
Wenn nicht, gehe ich weiter und weiß die Person in Gottes Liebe aufgehoben.
Diese Haltung entlastet und gibt Freiheit. Ich kann freundlich grüßen.
Meine Verletzungen heilt Gott, ohne dass die Person sich zwingend ändern
muss.
-
Gastfreundschaft: Wir leben
ja nicht in Kleinasien, unsere Gastfreundschaft spielt sich auf einem viel
niedrigeren Level ab. Doch egal, ob wir jemand einladen und sich der Tisch
vor Essen biegt oder wir ein Schwätzchen am Gartenzaun führen,
Gastfreundschaft meint, jemand Anteil an meinem Leben zu gewähren,
ihn in mein Privates schauen zu lassen. Jesus hat zu interessierten jungen
Männern, die ihn kennenlernen wollten, gesagt: „Kommt
und seht!“ Das ist auch für uns ein guter Satz. Wenn wir merken,
dass jemand unsere Nähe sucht, dann können wir ihn ein Stück
weit hineinnehmen in unseren Alltag, und dazu gehört auch unser Glaube.
Wir können ihm oder ihr ganz selbstverständlich vermitteln, wie
wir Jesus vertrauen und er unsere Entscheidungen im Leben beeinflusst.
-
Füreinander da sein mit
den Gaben, die Gott uns geschenkt hat: Etwas Wunderbares ist es, wenn einer
erkannt hat, was seine Gaben sind. In einem Gespräch sagte ein Mann,
er könne sehr gut organisieren und wolle das gerne in der Gemeinde
einsetzen. Es war faszinierend. Jede Liste, jede Verwaltungsaufgabe, die
er anpackte, führte leichtläufig zum Erfolg. Mühelos entwarf
er Einsatzpläne und koordinierte Mitarbeiteraufgaben. Seine Gabe half
vielen. Gott hat uns unsere Gaben nicht nur für uns selbst gegeben,
sondern auch dafür, seine Welt zu verändern. Er stößt
uns an, sie zu leben und einzubringen, wo immer sie gebraucht werden.
-
Dem Bösen wie ein brüllender
Löwe entgegenstehen: Vielleicht ist das ein sehr aktueller Ausdruck
unseres Alltags in der Wärme Gottes. Unrecht dürfen wir benennen
und uns dagegenstellen. Ob es Rassismus ist, Fremdenfeindlichkeit, die
Ausbeutung der Schöpfung, Missachtung des Nächsten oder egoistische
Verhaltensweisen, die andere gefährden, das Spektrum ist groß.
Es geht mich als Christin etwas an, was an Bösem in meiner Umgebung
geschieht. Und ich bin herausgefordert, bereit zu sein, um Stellung zu
beziehen, auch wenn das mühsam ist und Konflikte hervorruft, die an
Wildunfälle erinnern.
Jesus gibt uns alles, was
wir brauchen, um unser Leben heilig zu führen. Seiner Liebe können
wir uns im Gebet versichern, sie reicht immer zum Weitergeben. Wir sollten
sie großzügig verteilen – mit unseren Gebeten, in unserer Ausdauer,
im Dasein füreinander und im entschlossenen Eintreten für das
Gute, das Leben ermöglicht und fördert. Dazu brauchen wir täglich
neuen Input von Jesus und die Unterstützung untereinander.
Petrus erinnert uns daran.
Es wird zu Zusammenstößen mit unserer Umgebung kommen, die „Wildunfälle“
werden nicht ausbleiben, aber das muss uns nicht zu einer zurückgezogenen
Lebensweise zwingen, sondern nur wachsamer machen, dass wir Jesu Beistand
an jedem Tag brauchen.
Gelobt sei der Gott und
Vater unseres Herrn Jesus Christus. In seiner großen Barmherzigkeit
hat er uns sozusagen neu geboren. Durch die Auferweckung von Jesus Christus
aus dem Tod hat er uns eine lebendige Hoffnung geschenkt.
(1.Petrus
1,3)
Cornelia
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